Gotteslicht und Gottesnacht im Leben Mutter Teresas

 

„Der Himmel, welche Leere“

 

Mutter Teresa zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Welt. Durch ihren lebenslangen Dienst an den Armen wurde sie zu einem Synonym für  christliche Nächstenliebe. Sie erhielt für Ihre Arbeit unzählige Ehrungen, 1979 sogar den Friedensnobelpreis. Im Jahr 2003, nur 6 Jahr nach ihrem Tod, wurde sie von der Kirche selig gesprochen. 2016 wurde Mutter Teresa heiliggesprochen. Die ganze Welt kennt die Taten Mutter Teresas, jedoch war über ihren inneren Weg mit Gott lange wenig bekannt.

 

Dies änderte sich erst im Jahr 2007, 10 Jahre nach ihrem Tod, als das Buch „Mutter Teresa. Komm sei mein Licht“ herausgegeben wurde. Es ist eine Sammlung ihrer Aufzeichnungen und Gedanken und auch vieler Briefe an ihre geistlichen Begleiter. Nur wenige Vertraute wussten, wie es in Mutter Teresa aussah. Was hier an die Öffentlichkeit kommt, ist bewegend und erschütternd und offenbart die große Heiligkeit Mutter Teresas.

 

Agnes Gonxha Bojaxhiu, so ihr bürgerlicher Name, wird 1910 in Skopje geboren. Die Kirche und die Liebe zu Gott spielt eine herausragende Rolle in der Familie. Schon ab dem Tag ihrer ersten heiligen Kommunion mit fünfeinhalb Jahren empfindet Agnes eine große Nähe zu Jesus und wollte für ihn wirken. Mit 12 Jahren erkennt sie, dass sie eine Berufung für die Armen hat, mit 18 Jahren tritt sie in den Orden der Schwestern von Loreto ein, um in Indien Missionarin zu werden. Sie wird Lehrerin in Kalkutta, in einer Schule für Mädchen aus reichem Haus. 1937 legt sie ihre ewigen Gelübde ab und wird von nun an Mutter Teresa genannt. In dieser Zeit ist sie, trotz vieler Anstrengungen, sehr glücklich. Sie genießt, wie sie selbst sagt, ihr „vollkommenes Glück“ als „Braut Jesu“ (Komm, 32). Ausdruck ihrer Hingabe an Gott ist ein Privatgelübde, welches sie 1942 ablegt. Sie verspricht Gott nichts zu verweigern, und sei es noch so gering.

 

Am 10. September 1946, Mutter Teresa ist 36 Jahre alt, erhält sie auf einer Zugreise eine „immense Gnade des Göttlichen Lichts und der Göttlichen Liebe“ (Komm, 56) verbunden mit der Berufung, zu den Ärmsten der Armen zu gehen. In der folgenden Zeit wird Mutter Teresa durch Auditionen und Visionen gebeten, Jesus in den Armen zu dienen und zu ihnen zu bringen.

 

1948 erhält Mutter Teresa die Erlaubnis, ihren Orden zu verlassen und ihrem Ruf zu folgen. Unermüdlich kümmert sie sich um die Ärmsten der Armen, die Sterbenden, die Ausgestoßenen, die Kranken und Hungernden. Indische Mädchen schließen sich ihr an und bald werden die „Missionaries of Charity“ von Rom anerkannt. Eine beispiellose Erfolgsgeschichte der Missionarinnen der Nächstenliebe folgt. Sterbehäuser, Kinderheime, Kranken- und Leprastationen werden gegründet. Tausende junger Frauen, später auch Männer schließen sich Mutter Teresa an.

 

Vor den Augen der Welt verborgen bleibt allerdings, wie es in Mutter Teresa aussieht.

 

Seit dem Beginn ihrer Arbeit unter den Armen, seit sie alleine loszog, spürt Mutter Teresa in sich eine furchtbare Dunkelheit. Die fühlbare Nähe zu Gott, die sie früher so stark gespürt hat, ist verschwunden. Sie fühlt sich einsam und sie sehnt sich danach, Gott zu lieben, doch sie empfindet nichts. „…in meinem Inneren ist es eiskalt.“ (Komm, 194)

 

Nach zehn Jahren Dunkelheit und tiefstem Trennungsschmerz erfährt Mutter Teresa einen Monat lang wieder die Liebe und unsagbare Freude Gottes. Er bestärkt sie auf ihrem Weg. Doch diese Oase des Trostes ist bald vorüber.

 

„Diese Dunkelheit, die mich von allen Seiten umgibt – ich kann meine Seele nicht zu Gott erheben – kein Licht, keine Eingebung dringt zu meiner Seele vor… Wofür arbeite ich? Wenn es keinen Gott gibt – kann es auch keine Seelen geben. – Wenn es keine Seele gibt, dann Jesus – bist auch Du nicht wahr. – Der Himmel, welche Leere“ (Komm, 228). Mutter Teresa lebt im Paradox: sie hat ihren Glauben verloren – und hält doch an ihm fest.

 

Im Lauf von noch fast 50 Jahren ändert sich nichts daran, dass Mutter Teresa die Gegenwart Jesu nicht mehr spüren kann, aber ihre Verzweiflung darüber nimmt ab. Immer tiefer versteht sie, dass diese Gottesnacht Teil ihrer Berufung ist. Es ist ihre Teilhabe am Kreuz Jesu.

 

Kurz vor ihrem Tod wird eine Mitschwester Zeugin, wie Mutter Teresa allein „ein Bild des Heiligen Antlitzes“ betrachtet und sagt: „Jesus, ich verweigere Dir nichts… Jesus, ich habe Dir nie etwas verweigert“ (Komm, 382). Mutter Teresa stirbt 1997 mit 87 Jahren.

 

 

Überlegungen zur langen Gottesnacht im Leben Mutter Teresas:

-      Leid ist nie erklärbar, auch das Leid im Leben Mutter Teresas nicht. Unverständnis darf bleiben. Gott ist immer auch der Unverfügbare.

 

-      Mutter Teresa wollte Gott lieben, wie er noch nie geliebt wurde (Komm, 195). Vielleicht hat sie genau das getan. Gott zu lieben, wenn er nahe ist, ist leicht. Gott auch zu lieben, wenn er fern und unverständlich ist, erfordert eine reife Liebe zu Gott, die ihn um seiner selbst willen sucht.

 

Mutter Teresa kann uns Vorbild darin sein, unseren Glauben nicht ständig von unserer aktuellen Gefühlslage abhängig zu machen.

 

-      Mutter Teresa musste den Nächsten und die Welt als Ort der Anwesenheit Gottes ganz ernst nehmen, ohne jede Flucht in die Innerlichkeit. In den Armen, Kranken und Einsamen berührte sie den Leib Jesu.

 

-      Mutter Teresa kann uns modernen Menschen, die wir ja auch so oft aller Gewissheiten beraubt sind, Vorbild und Trost sein in ihrem unbeirrbaren Weg hin zu Gott.

 

 

Gebet Mutter Teresas:

 

 

„Liebster Jesus, hilf uns,

 

Deinen Duft zu verbreiten,

 

wohin wir auch gehen.

 

Überflute unsere Seelen

 

mit Deinem Geist und Leben…

 

Bleibe bei uns, und dann werden wir beginnen,

 

so zu leuchten, wie Du leuchtest,

 

so zu leuchten, dass wir anderen ein Licht sind.

 

Das Licht, Jesus, wird ganz von Dir kommen,

 

nichts davon wird von uns sein;

 

Du wirst es sein,

 

der durch uns auf andere scheint…

 

Lass uns Dich predigen, nicht mit Worten,

 

sondern durch unser Beispiel,

 

durch die Ansteckungskraft,

 

den teilnehmenden Einfluss unserer Taten,

 

die offenbare Fülle der Liebe zu Dir,

 

die wir im Herzen tragen. Amen. (Die Liebe, 152)

 

 

 

 

 

Literatur:

 

Hg. Brian Kolodiejchuk MC: Mutter Teresa. Komm, sei mein Licht. München 2007

 

Christian Feldmann: Die Liebe bleibt. Das Leben der Mutter Teresa. Freiburg i. Br. Aktualisierte Neuausgabe 2007